Online-Panel: Aktuelle Herausforderungen für den Journalismus im Superwahljahr 2021

von weitklick-Redaktion | 24.06.2021

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Screenshot Digitaltag
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In der Panel-Diskussion "Aktuelle Herausforderungen für den Journalismus im Superwahljahr 2021" am 18.06.2021 zum Digitaltag diskutierten folgende Personen miteinander:

  • Lisa Dittmer, Referentin für Internetfreiheit, Reporter ohne Grenzen
  • Dr. Lena Frischlich, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
  • Björn-Simon Frommann, Hector-Peterson-Schule
  • Eva Schiller, Leiterin ZDF-Studio Baden-Württemberg

Moderiert wurde die Veranstaltung vom Journalisten Jochen Spangenberg.

In ihrem Input erläuterte Lisa Dittmer (Reporter ohne Grenzen), dass der Wahlkampf immer stärker im Online-Raum ausgetragen wird. Dies berge Gefahren für die Meinungsbildung, da es dort an zeitgemäßen Regeln und Transparenz fehlt.

25% teilen "Lügenpresse"-Vorwürfe

In Bezug auf die Situation der Pressefreiheit führte Lisa Dittmer aus, dass 25% der deutschen Bevölkerung die "Lügenpresse"-Vorwürfe gegenüber deutschen Medien teilen. Sie berichtete, dass es 2020 bei Demonstrationen insgesamt 65 gewalttätige Angriffe auf Reporter*innen-Teams erfasst wurden. Einziger positiver Nebeneffekt dieser Übergriffe sei, dass es nun eine öffentliche Diskussion über den Schutz der Pressefreiheit gebe. Darüber hinaus sei ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Kommunikation im Online-Raum und der Gewalt auf der Straße sichtbar.

Was tun?

Um der zunehmenden Gewalt gegen Medienschaffende entgegen zu wirken, skizzierte Lisa Dittmer folgende Ansatzpunkte:

  • Gewalt online und offline verfolgen
  • Desinformation einordnen -> Faktenchecks alleine reichen nicht aus
  • Vertrauenswürdige Medienarbeit stärken und sichtbar machen
  • Parteien und Plattformen in die Verantwortung nehmen
  • Gegenrede leisten, Solidarität zeigen
  • Medien- und Nachrichtenkompetenz fördern

Nur noch mit Sicherheitskräften zu Demonstrationen

Im anschließenden Gespräch machte Eva Schiller (ZDF) den Anfang: Sie berichtete, dass sie und ihre Kolleg*innen nur noch mit Sicherheitskräften auf die sogenannten Querdenker-Demos gehen. Die Situation habe sich für öffentlich-rechtliche Journalist*innen in letzter Zeit relativ schnell zugespitzt; sie werden von den Demonstrationsteilnehmer*innen massiv verbal angefeindet. Schiller erläuterte auch, dass sie früher als Journalistin aus vielen anderen Ländern berichtet habe. Dort habe sie nie Sicherheitskräfte benötigt, obwohl die Pressefreiheit dort zum Teil deutlich schlechter eingeschätzt wurde. Dass heute in Deutschland Sicherheitskräfte benötigt werden, sei erschütternd.

Gut recherchierter Content ist wichtig

Auf die Frage, inwieweit die öffentlich-rechtlichen Medien wie das ZDF auf jugendnahen Plattformen wie YouTube und Instagram vertreten sind, wies Eva Schiller auf das Angebot "funk" hin. Eva Schiller machte deutlich, dass gut recherchierter Content wichtig ist und passend für die jeweiligen Plattformen aufbereitet werden muss.

Besondere Verantwortung der Politiker*innen

Lena Frischlich (WWU Münster) unterstrich die besondere Verantwortung von Politker*innen, die eine große Reichweite haben und der Verbreitung von Desinformationen insbesondere vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahlen entgegen wirken sollten.

Versteigung von Angeboten gegen Desinformation

Björn-Simon Frommann (Hector-Petersen-Schule) machte deutlich, dass einmalige Veranstaltungen oder Projekttage an Schulen zur Bearbeitung des Themas Desinformation nicht ausreichen: Es brauche eine Verstetigung. Er selbst fordert seine Schüler*innen dazu auf, jede Woche eine Nachricht oder ein Video mitzubringen, das sie anschließend gemeinsam im Unterricht diskutieren. Aus seiner Sicht bieten die bestehenden Institutionen an der Schule an sich genug Möglichkeiten, um sich mit dem Thema Desinformation auseinander zu setzen.

Wieviel Berichterstattung über Querdenkerdemos ist sinnvoll?

Eva Schiller berichtete von ihrem dauernden Zwiespalt: Wieviel Berichterstattung über die Querdenkerdemos ist notwendig und sinnvoll? Sie machte deutlich, dass Verschwörungsideologien nicht ein Problem von bildungsfernen Menschen, sondern häufig im gebildeten Milieu verbreitet sind.
Sie unterstrich, dass es trotz aller Schwierigkeiten gut sei, wie frei die Presse in Deutschland arbeiten könne. Dies gehe auch aus Gesprächen mit Journalist*innen aus anderen Ländern hervor.

Mit den Jugendlichen auseinandersetzen

Björn-Simon Frommann betonte, dass es wichtig sei, als Lehrkraft gegen Falschaussagen zu argumentieren, um zu verhindern, dass einige Wenige in der Klasse Stimmung machen. Auch Lisa Dittmer unterstrich, dass es notwendig ist, mit Jugendlichen zu sprechen – insbesondere über die Relevanz von sozialen Medien als Informationsquellen und mögliche Alternativen. Hier sei es auch sinnvoll, das Interesse, das Jugendliche an Politik mitbringen, sowie deren Technik-Kompetenzen zu nutzen. Ziel sollte sein, den Jugendlichen deutlich zu machen, dass sie sich die Zeit nehmen, nachzudenken und nicht vertrauenswürdige Beiträge nicht zu schnell zu liken und zu teilen.

Die Aufzeichnung des Webinars ist hier zu finden.

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