Bibliotheken – neutrale Partner für Medien- und Nachrichtenkompetenz
von Claudia Holzmann (Gastbeitrag) | 15.07.2022

Desinformation ist kein neues Phänomen – ihr Potential, Demokratien zu gefährden und schädigenden Einfluss zu nehmen war aber nie größer. In Zeiten offen verfügbarer Daten im Internet ist es – will man verwirren und verunsichern – eine effiziente Strategie, z.B. soziale Netzwerke mit einer Unzahl von Falschmeldungen zu fluten. Die Folgen von Desinformation betreffen die ganze Gesellschaft und spalten. Das Vertrauen in die Presselandschaft erodiert, große Bevölkerungsgruppen sind durch herkömmliche Medien nicht mehr zu erreichen.
Großes Potenzial von Bibliotheken
An dieser Stelle haben Bibliotheken großes Potential.[2] Laut einer repräsentativen Befragung der Berliner Bevölkerung im Auftrag des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB) sehen 90% der knapp tausend Befragten in Bibliotheken einen vertrauenswürdigen Ort.[3] Auch in der regelmäßigen Bürger*innenbefragung des deutschen Beamtenbundes haben die Befragten 2021 die Bibliotheken direkt hinter Straßenreinigung/Müllabfuhr (1,8) mit der Note 1,9 bewertet.[4]
Bibliotheken als neutrale Orte
Das lässt erkennen: Bibliotheken sind neutrale Orte und somit geeignet, ein Raum für Begegnung zu sein für Bürger*innen, die sich sonst nicht (mehr) viel zu sagen haben. Hier gilt es, einen Schatz zu heben, der bisher noch mancherorts im Verborgenen liegt und Bibliotheken personell und räumlich so gut auszustatten, dass sie diese Funktion innehaben können. An geeigneten Begegnungsformaten für Menschen, die mit klassischen Bibliotheksangeboten schwer erreicht werden können, wird zum Beispiel mit den Erkenntnissen aus der einer Studie von More in Common [5,6] bereits in vielen Bibliotheken gearbeitet – so entstehen z.B. Saatgutbibliotheken [7] und Fahrbüchereien als Dritte Orte.[8]
Möglichkeiten zur Kooperation mit Schulen
Auch als Kooperationspartner für Schulen im Umgang mit Desinformation sind Bibliotheken hervorragend geeignet. Neben den in diesem Blog bereits vorgestellten Fake Huntern [9] gibt es derzeit eine Vielzahl von Angeboten, z.B. als Serious Game wie Escape Rooms [10] oder Quizzes [11], die sich für Veranstaltungen in Bibliotheken eignen. Für Lehrkräfte lohnt sich der Kontakt mit den Medienkompetenz-Fachleuten der Bibliotheken ganz besonders - nach einer Untersuchung aus 2018 wünschen sich 75% der Jugendlichen mehr Aufklärung über Fake News im Unterricht.[12] Der Zugang zu Qualitätsinformation ist und bleibt das Kerngeschäft von Bibliotheken.
Quellen
[1] https://bibliotheksportal.de/informationen/die-bibliothek-als-dritter-ort/dritter-ort/
[4] https://www.dbb.de/fileadmin/user_upload/globale_elemente/pdfs/2021/forsa_2021.pdf, S. 8
[5] https://www.moreincommon.de/begegnungzusammenhalt/
[7] https://www.bz-niedersachsen.de/saatgutbibliothek.html
[8] https://www.bz-sh.de/projekte-bestaende/fahrbuecherei-als-dritter-ort
[9] https://www.diefakehunter.de/
[11] http://kjm-erfurt.de/algorithmen/
Über die Autorin
Claudia Holzmann arbeitet nach mehreren Stationen in öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken seit 2019 in der Hessischen Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit dem Potential von Bibliotheken im Umgang mit Desinformation.