Desinformation und Meinungsbildung im Internet
von Stephan Mündges (Gastbeitrag) | 18.05.2021
Blogbeitrag zur Online-Fortbildung "Meinungsbildung im Internet - Information, Desinformation und Fake News in der digitalen Gesellschaft" am 18.05.2021
Es sind nur noch wenige Monate bis zu Bundestagswahl. Nicht nur die Politik, Sicherheitsbehörden und Medienorganisationen müssen sich darauf einstellen, dass auch in diesem Wahlkampf ähnlich wie schon 2017, Troll- und Aktivistengruppen sowie manche politischen Akteure massiv mit Desinformations- und Hate Speech-Kampagnen Stimmen machen wollen. Erste Anzeichen haben wir in den vergangenen Wochen schon gesehen. Auch Lehrkräfte und Pädagog*innen sollten sich mit dem Thema beschäftigen, um ihre Schüler*innen für das Thema sensibilisieren und auf entsprechende Fragen antworten zu können. In digitalen Vorträgen vor Lehrkräften aus Berlin und Sachsen konnte ich einige der Mechanismen vorstellen, die die schnelle und weite Verbreitung von Desinformation in sozialen Netzwerken begünstigen, und einige Einblicke geben, wie sich Behauptungen schnell verifizieren oder falsifizieren lassen.
Junge Menschen beziehen ihre Nachrichten aus dem Internet
Studien zur Mediennutzung zeigen: junge Menschen beziehen ihre Nachrichten hauptsächlich aus dem Internet. Wichtigster Kanal dort: soziale Netzwerke. Allerdings: Es gibt nicht DIE Jugendlichen, die alle die gleichen Mediennutzungsgewohnheiten haben. In einer Studie des Hans-Bredow-Institut für Medienforschung zeigt sich:
„Auch innerhalb ein und derselben Alters- und Bildungsgruppen zeigen sich sehr verschiedene Typen der Nachrichtenorientierung mit spezifischen Ausprägungen von Interesse, Nutzung, zugeschriebener Meinungsbildungsrelevanz und Informiertheit.“
Für Lehrkräfte ist es daher wichtig auf die Bedürfnisse und Vorkenntnisse ihrer Schüler*innen einzugehen. Dennoch gibt es einige grundlegende Mechanismen und Kategorisierungen, die zu kennen wichtig sind. Im Vortrag habe ich daher einen Fokus auf Mechanismen der Distribution von Desinformationskampagnen gelegt. Wichtig dabei: Solche Kampagnen bestehen nicht bloß aus Falschinformationen auf obskuren Websites und in Facebook-Posts. Auch in Messengerdiensten werden zunehmen Unwahrheiten, aus dem Kontext gerissene Fotos und Videos oder haltlose Gerüchte verbreitet.
Glaubwürdigkeit und Qualität von Informationen einschätzen
Eine Herausforderung für jede*n Nutzer*in ist es, die Glaubwürdigkeit und Qualität von Informationen einschätzen zu müssen, die den eigenen Kenntnisstand übersteigen. Auch dieses Phänomen wurde besprochen. Ein Beispiel: Auf einer etwas obskuren Website erscheint ein Text, in dem weitreichende Behauptungen über krebserregende Stoffe auf Corona-Teststäbchen verbreitet werden. Alles sachlich beschrieben, fundiert mit vermeintlichen Quellen belegt. In solchen Fällen ist es für gewöhnlich nicht ratsam, jede einzelne Behauptung in einem Text gegenzuchecken. Für normale Nutzer*innen ist das allein aus Zeitgründen auch für gewöhnlich nicht leistbar. Hilfreich kann es in solchen Fällen sein, auf bekannten Fact-Checking Seiten, z. B. vom Correctiv oder auf mimikama.at nachzuschauen, ob zu diesen oder ähnlichen Behauptungen schon Faktenchecks veröffentlicht wurden. Ist das (noch) nicht der Fall, ist es ratsam, quer zu lesen: Was wird auf anderen, bekannten Seiten über die Quelle oder den Autor berichtet? So lässt sich die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit von unbekannten besser einschätzen.
Gesunde Skepsis
Mit einer gesunden Skepsis gegenüber unbekannten Quellen und dem Wissen darüber, auf welches Instrumentarium Desinformationskampagnen zurückgreifen, können wir alle dem Problem Desinformation entgegentreten.
Über Stephan Mündges
Stephan Mündges ist Reporter und Redakteur des ZDF und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Journalistik (IJ) an der TU Dortmund. Am IJ bildet er angehende Journalistinnen und Journalisten aus. In seiner wissenschaftlichen Forschung beschäftigt er sich mit der digitalen Transformation des Journalismus. Für das ZDF arbeitet er seit über elf Jahren in verschiedenen Redaktionen. Seit September 2020 ist er Redakteur und Reporter im heute journal. Schwerpunktmäßig berichtet er über Digitalthemen. Er twittert unter @muendges.