Mit Faktenchecks gegen Desinformation in der Klimakrise

von Nick Reimer (Gastbeitrag) | 16.03.2023

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Poträtfoto von Nick Reimer, der Redakteur bei klimafakten.de ist
© Matthias Rietschel

Das Überprüfen von Informationen gehört zum grundlegenden Handwerk im Journalismus. Jede gute Redaktion tut es. Meist merkt das Publikum nichts davon, weil es so selbstverständlich zum Recherchieren dazugehört, dass es in den fertigen Artikeln oder Beiträgen gar nicht extra erwähnt wird. In den vergangenen Jahren aber sind – sowohl weltweit wie auch im deutschsprachigen Raum – „Faktenchecks“ zu einer eigenen Textform geworden.

Faktenchecks als Werkzeug gegen Desinformation

Zahlreiche Web-Angebote haben sich inzwischen aufs „Fact Checking“ spezialisiert; das erste seiner Art war wohl das US-Projekt factcheck.org, gegründet 2003 an der Annenberg School for Communication der University of Pennsylvania in Philadelphia. Während der Präsidentschaftswahlkämpfe von Barack Obama und zunehmend rabiater geführten Kampagnen in den USA erregte es großes Aufsehen. Bald zogen andere große US-Medien mit Faktenchecks nach, etwa der TV-Sender CNN oder die Washington Post. Seit 2011 überprüft (und widerlegt) klimafakten.de populäre Falschbehauptungen speziell im Bereich Klimawandel und Klimaforschung.

Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Twitter, aber auch Messenger-Dienste wie Telegram sind seit Jahren ein Hauptverbreitungsweg von Desinformation. Falschmeldungen, ergab 2018 eine US-Studie, verbreiten sich dort rund sechs Mal schneller als zutreffende Informationen; ein wichtiger Grund dafür sind Grundmechanismen der menschlichen Psyche. Wissenschaftler*innen empfehlen als Gegenmittel, gezielt über typische Techniken der Desinformation aufzuklären – im Idealfall bereits prophylaktisch, als „Impfung gegen Fake News“ wird dies gelegentlich bezeichnet. Ein weiteres Mittel sind schnelle und gründliche Faktenchecks, wir geben einen Überblick zu einigen der wichtigsten Projekte im deutschsprachigen Raum.

Übrigens: Bei vielen der folgenden Faktenchecks kann man selbst Meldungen zur Überprüfung einreichen, die einem verdächtig vorkommen – zum Beispiel bei DPA, bei Correctiv oder auf mimikama.at.

Faktencheck-Angebote im Überblick

  1. DPA: Nachrichten sind naturgemäß Kernkompetenz von Nachrichtenagenturen; deshalb ist nicht überraschend, dass die Deutsche Presse-Agentur (dpa) auch Faktenchecks veröffentlicht. DPA wurde 1949 gegründet, Eigentümer sind rund 170 Zeitungs- bzw. Zeitschriftenverlage und Rundfunkanstalten. In den vergangenen Jahren hat die Agentur eine mehr als 20-köpfige Faktencheck-Redaktion aufgebaut. Ihre Beiträge sind meist kurz und klar und mit umfangreichen Quellen belegt, sodass man sich gut in das jeweilige Thema vertiefen kann.

    Aktualität: sehr hoch, oft erscheinen mehrere Faktenchecks pro Tag
    Besonderheit: interessierte Jugendliche im Alter von 15-18 Jahren können Teil des „Teen Fact-Checking Networks“ und so selbst aktiv werden
    Link: dpa-factchecking.com mit Rubriken unter anderem für Österreich und die Schweiz
     
  2. Faktenfinder: Gestartet im April 2017, ist der Faktenfinder so etwas wie das Faktencheck-Flaggschiff der öffentlich-rechtlichen ARD. Man setze „gezielten Falschinformationen im Netz eigene Rechercheergebnisse entgegen und zeigt anhand von konkreten Beispielen, woran falsche Behauptungen oder unseriöse Meldungen zu erkennen sind“, so das Versprechen. Die Redaktion ist beim ARD-Nachrichtenportal tagesschau.de angesiedelt, das vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg produziert wird.

    Aktualität: mittel, etwa ein Beitrag pro Woche
    Besonderheit: 2021 gab es einen mehrteiligen Faktenfinder-Podcast
    Link: tagesschau.de/faktenfinder
     
  3. Correctiv: „Wir arbeiten unabhängig, überparteilich, transparent und überprüfbar“, schreiben die Faktenchecker*innen von Correctiv über ihre Arbeitsweise. Die momentan zwölfköpfige Redaktion ist Teil des gemeinnützigen Recherchezentrum, das 2013 mit Unterstützung der Brost-Stiftung aus Essen gegründet wurde. Das Team arbeitet auch für das Faktencheck-Programm von Facebook, an dem mehr als 80 Organisationen weltweit beteiligt sind. Verbreitet werden die Beiträge unter anderem auf speziellen Kanälen bei Twitter oder YouTube, für Themen rund ums Klima gibt es auf dem Portal eine eigene Rubrik.

    Aktualität: hoch, nahezu täglich erscheint ein Beitrag, manchmal auch zwei
    Besonderheit: Die Redaktion verwendet eine elfstufige Bewertungsskala von „richtig“ über „unbelegt“ und „teilweise falsch“ bis „frei erfunden“
    Link: correctiv.org/faktencheck
     
  4. AFP: Die französische Agence France-Presse (AFP), gegründet 1835, gilt als älteste Nachrichtenagentur der Welt. Seit 2017 unterhält sie ein spezielles „Team für Faktencheck und digitale Recherche“, das heute mehr als hundert Mitarbeiter*innen in Dutzenden Ländern umfasst. „Sie berücksichtigen lokale Kulturen, können Feinheiten von Sprache einschätzen und verstehen die politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland“, heißt es in der Selbstdarstellung. Auch AFP ist Teil des Faktencheck-Netzwerk von Facebook.

    Aktualität: hoch bis sehr hoch, zwischen 5 und 6 Beiträge pro Woche in deutscher Sprache
    Besonderheit: AFP veröffentlicht Checks in 24 Sprachen, etwa Weltsprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch, aber zum Beispiel auch auf Arabisch, Finnisch, oder Thai
    Link: faktencheck.afp.com
     
  5. #Faktenfuchs: Bei BR24, dem Informationsangebot des Bayerischen Rundfunks (BR) in München, wird der #Faktenfuchs produziert. Acht Autor*innen gehören zum Kernteam, einzelne Texte liefern die Fachredaktionen des BR zu oder die weltweiten Korrespondentenbüros der ARD. Der #Faktenfuchs ist Mitglied des International Fact-Checking Network, zu dem aus Deutschland auch dpa und Correctiv gehören. Wer dort Mitglied sein will, muss einen umfangreichen „Kodex von Prinzipien“ unterzeichnen.

    Aktualität: mittel, nahezu wöchentlich erscheint ein Beitrag
    Besonderheit: es werden Beiträge in mehreren Sprachen veröffentlicht, etwa Englisch, Türkisch, Kroatisch, Italienisch oder Arabisch
    Link: br.de/nachrichten/faktenfuchs-faktencheck,QzSIzl3
     
  6. Deutsche Welle: Auf einen wichtigen Aspekt professioneller Faktenchecks weist das Team der Deutschen Welle hin: „Wir kommunizieren klar, was wir wissen – und was (noch) nicht.“ Als Sender für ein ausländisches Publikum konzentriert sich dieses Angebot naturgemäß auf internationale Themen, häufig geht es um Desinformation zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Zudem gibt es immer wieder lehrreiche Grundsatzartikel, etwa „Wie erkenne ich Fake News?“ oder „Wie erkenne ich Deepfakes?“

    Aktualität: mittel, nahezu wöchentlich erscheint ein Beitrag
    Besonderheit: eine fünfteilige Serie hat sich ausführlich mit Mythen rund ums Klima befasst
    Link: dw.com/de/faktencheck/t-56578552
     
  7. Mimikama: Dieses Portal wird vom 2011 gegründeten Verein zur Aufklärung von Internetmissbrauch aus Wien betrieben, den Großteil der Arbeit leistet ein ehrenamtliches Team. Mimikama weist auf ein Dilemma hin: Zwar können „Fake-Hinweise“ die Verbreitung mancher Desinformation bekämpfen – aber indirekt könnten dadurch andere Fehlinformationen glaubwürdiger werden, die zwar ebenfalls falsch sind, aber die Faktenchecker*innen schlicht noch nicht entdeckt oder für deren Überprüfung sie noch keine Zeit hatten.

    Aktualität: sehr hoch, teils mehrere Beiträge pro Tag
    Besonderheit: Mimikama betont, kein Geld von Plattformen wie Facebook oder Behörden zu erhalten, sondern sich aus Spenden und Werbeeinnahmen zu finanzieren
    Link: mimikama.org
     
  8. Volksverpetzer: Anders als bei allen anderen vorgestellten Faktenchecks ist der Ton auf dem Blog Volksverpetzer nicht sachlich und nüchtern, sondern emotional, zuspitzend, bisweilen polemisch. Die Faktenbasis aber wurde von verschiedensten Kritikern als hoch eingeschätzt. „Keine Demokratie ohne Fakten“, lautet das Motto des Projekts. Es startete 2014 als regionaler Blog für Augsburger Politik, heute schreibt ein Team aus Festangestellten und Freien über ein breites Themenspektrum, ein besonderer Fokus liegt auf Rechtsextremismus.

    Aktualität: sehr hoch, meist mehrere Beiträge pro Tag
    Besonderheit: neben Spenden ist der Verkauf von Fanmaterialien eine Finanzierungsquelle, etwa von Kaffeetassen, Socken oder Einkausbeuteln
    Link: volksverpetzer.de

Spezielle Faktenchecks rund um Energiewende und Klimaschutz

Einige der oben vorgestellten Portale behandeln Klima- und Energiethemen in eigenen Rubriken, etwa Correctiv oder Mimikama. Daneben gibt es eine Reihe von Web-Angeboten, die sich komplett auf diesen Bereich fokussieren:

  • Beim gemeinnützigen Wissenschaftsportal klimafakten.de gibt es fast 50 Faktenchecks zu populären Mythen und häufigen Falschbehauptungen rund um den Klimawandel. Viele der Texte gibt es in einer Kurz- und einer Langversion, alle Faktenchecks sind von einem wissenschaftlichen Beirat geprüft und mit umfangreichen Links in die Forschungsliteratur versehen.
  • Der Bayerische Rundfunk bietet mit seinem Klimapalaver-Faktencheck bei Bildungskanal ARD-alpha kurze, gezeichnete Erklärfilme. Biofleisch, importierte Äpfel, Bus oder Bahn – viele der behandelten Themen sind sehr praxisnah. Aber es geht auch um allgemeinere Fragen wie: „Macht uns neue Technik zu Klimaschützern?“
  • Der Faktencheck Energiewende ist eine Serviceseite des österreichischen Klima- und Energiefonds. Neben regelmäßig fortgeschriebenen Informationen zum Stand der Energiewende in Österreich geht es zum Beispiel auch speziell um Elektromobilität.
  • Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat 2020 einen sehr umfangreichen und mit zahlreichen wissenschaftlichen Quellen belegten Faktencheck zu Elektromobilität und Batterien veröffentlicht.
  • Auf dem Stand von 2018 ist das FAQ Elektromobilität des Öko-Instituts. 
  • Das Hintergrundpapier Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg wird regelmäßig fortgeschrieben und behandelt inzwischen mehr als zwei Dutzend Einzelfragen auf rund 100 Seiten. 
  • Die Umweltschutzorganisation Greenpeace bietet unter dem Motto Mythen und Fakten zur Klimakrise kompakte und direkt fürs Teilen auf Social Media aufbereitete Inhalte.
  • Der Faktencheck Agrarpolitik des Naturschutzbundes Deutschland behandelt auch einige Klima-Aspekte. 

Dieser Text entstand in Kooperation mit dem Wissenschaftsportal klimafakten.de. Der Autor ist Nick Reimer (freier Autor bei klimafakten.de).

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