Narrative hinter Desinformationen: Why The Big Picture Matters

von Cristina Helberg (Gastbeitrag) | 14.02.2022

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Desinformationen verstecken sich oft in Sharepics oder Fotomontagen. Memes mit falschen Zitaten von Politiker*innen zum Beispiel. Faktenchecks darüber zu veröffentlichen, wird von manchen belächelt. Warum die Mühe machen und täglich unzählige kleine Fakes widerlegen? Was kann ein falsches Zitat, ein falsches Foto schon anrichten?

Die Antwort findet sich in z. B. auf Telegram-Kanälen, YouTube-Channels und vielen anderen Plattformen. Dort wo sich viele kleine Fakes zu einem geschlossenen Weltbild zusammenfügen. Ein Weltbild, in dem jüdische Eliten angeblich seit Jahrzehnten heimlich die Geschicke der Welt lenken, Geflüchtete messermordende Monster sind und das Coronavirus eine Erfindung von Bill Gates. Nur wer in diese Welt eintaucht, versteht, dass die Memes und Minifakes kleine Köder sind. Sie sollen Menschen in die Kanäle der Desinformierenden locken. Einmal in diese Netze verstrickt, blinken im Sekundentakt Meldungen auf dem Bildschirm auf. Endzeitstimmung gepaart mit Hass kriecht durch die Kanäle voller Falschinformationen. Es sind falsche Behauptungen wie: „Alle Geimpften werden im September sterben.“ „Bereitet euch auf tagelange Stromausfälle vor“. „Trinkwasser wird knapp werden, wenn der Tag X kommt“. „Das Militär wird in Deutschland die Macht übernehmen“. „Bald gilt in Deutschland die Scharia“.

Wer einige Stunden in diesen Chats verbringt, der kann mit geschultem Auge die Narrative erkennen, die genährt werden sollen. Es sind antisemitische Erzählungen, die an Deutschlands dunkelste Jahre erinnern. Antimuslimische Meldungen, die ein angebliches Ende der Demokratie heraufbeschwören. Deutschland werde ein islamischer Staat, wird dort behauptet. Es sind diese Narrative, die radikalisieren und zu Hass in der realen Welt anstacheln. Die rassistischen und antisemitischen Anschläge der letzten Jahre sind aus diesen Narrativen entsprungen.

Medienbildung fokussiert oft Techniken und Tools, mit deren Hilfe zum Beispiel Bilder auf ihren Kontext überprüft werden können (Bilder-Rückwärtssuche). Oder wie die Authentizität von Profilen in sozialen Netzwerken bewertet werden kann. Der Ansatz ist wichtig und gehört in einer digitalen Gesellschaft zum Allgemeinwissen. Genauso elementar ist jedoch das Erklären von Narrativen der Desinformation. Weil damit nicht nur die unzähligen alltäglichen Fakes entlarvt werden, sondern der ideologische Werkzeugkasten der Desinformierenden zerlegt wird. Das Wissen darüber kann vor dem Abtauchen in diese Welten schützen.
 

Über die Autorin

Cristina Helberg arbeitet als freie Journalistin, Faktencheckerin und Trainerin für Recherche und Verifikation. Ihre Rechercheschwerpunkte sind Desinformation im Netz, Machtmissbrauch und gesellschaftliche Ungleichheit. Ihre Erfahrungen als Journalistin gibt sie auch in Workshops und als Speakerin weiter. Als Dozentin hält sie Seminare an Journalistenschulen und Universitäten.

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