Verschwörungsmythen im Lehrer*innenzimmer - Was tun?

von weitklick-Redaktion | 20.04.2021

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Der junge Mann mit Aluminiumkappe sitzt im dunklen Keller vor einem Laptop. Konzept der Verschwörungstheorie
© Patrick Daxenbichler | shutterstock.com

Im Fernsehen, in den Sozialen Medien oder auf der Arbeit: Überall begegnen uns Menschen, die Verschwörungsmythen anhängen. Bei manchen werden diese zur Weltanschauung: Sie glauben an eine andere Realität, an Komplotte und Verschwörungen. Auch die Schule und das Lehrer*innenzimmer sind davor nicht gefeit. Neu sind Verschwörungsmythen nicht, jedoch sind sie heute anders begründet und präsenter als noch vor ein paar Jahren. Durch die von Corona hervorgerufene Instabilität und Ungewissheit flüchten sich viele Menschen in Verschwörungserzählungen, die Sicherheit und Ordnung versprechen. Die Welt wird in Gut und Böse eingeteilt. Sie wird weniger komplex und dadurch verständlicher.
 

Was tun?

Wie soll man sich also dazu verhalten, wenn Kolleg*innen Verschwörungsmythen oder Falschnachrichten verbreiten? Wie kann ich meinen Standpunkt klar machen und trotzdem ein konstruktives Gespräch führen? Und was kann und sollte man überhaupt sagen?

Wir haben zehn Tipps zusammengestellt, die bei der Konfrontation mit Verschwörungsmythen in den Reihen der eigenen Kolleg*innen helfen.

Bitte beachten Sie: Kommt Ihnen zu Ohren, dass ein*e Kolleg*in Verschwörungsmythen im Unterricht verbreitet, suchen Sie das direkte Gespräch. Hat dieses keinen Erfolg, müssen Sie sich in Ihrer Schule an die entsprechenden Gremien (z. B. Schulleitung oder Personalrat) wenden. Sollte der*die Kolleg*in Gewalt als legitime politische Ausdrucksform darstellen oder andere strafrechtlich relevante Positionen vertreten, muss nicht nur die Schulleitung eingeschaltet werden, sondern möglichweise auch die Polizei.


10 Tipps für ein Gespräch mit den Kolleg*innen

  1. Ein Gespräch unter vier Augen suchen

Eine persönliche Aussprache unter vier Augen ist der beste Weg. Direkte Konfrontation kann so vermieden und in Ruhe über die Behauptungen gesprochen werden. Eine Gruppe (z.B. im Lehrer*innenzimmer) ist nicht der richtige Kontext für eine klärende Diskussion, da sich die Person sonst in die Ecke gedrängt fühlen könnte und das Gespräch womöglich verweigert.

  1. Eigene Position reflektieren und „Themenhopping“ vermeiden

Um gut vorbereitet in ein Gespräch zu gehen, sollten Sie sich am besten vorher selbst gut informieren: Wer die Mechanismen und Argumentationsmuster von Verschwörungsmythen versteht, kann sich selbst besser vor ihnen schützen und wirkungsvoller gegen sie argumentieren.

Reden Sie konkret und Schritt für Schritt über jeweils ein Themenfeld. Anhänger*innen von Verschwörungsmythen springen häufig von einem Thema zum anderen, um von unbelegten Grundannahmen und Widersprüchen abzulenken. Auch anekdotische Evidenzen („Keine*r meiner Schüler*innen hatte Corona! Auch in meiner Familie hatte es niemand!“) sind hier ein beliebtes Mittel. Sie sollten klar machen, dass individuelle Wahrnehmungen nicht repräsentativ sind und keine Fakten widerspiegeln.

  1. Sorgen wahrnehmen, aber einordnen

Vielleicht hat eine*r der Kolleg*innen eine generelle Skepsis gegenüber Impfungen – vielleicht nicht gegenüber allen Impfungen, aber gegenüber der Corona-Impfung. Diese Sorgen sollten ernst genommen werden. Mit konkreten Fakten kann jedoch auf die umfangreichen Zulassungsprozesse und wissenschaftlichen Studien hingewiesen werden. Gefühle von Zweifeln und Ungewissheit sind in Ordnung. Sie zeigen, dass in der Realität eben nicht alles einer simplen Logik folgt. Ein persönliches Gespräch über Gefühle kann helfen herauszufinden, was sich der*die Gesprächspartner*in von Verschwörungsmythen erhofft und welche psychologischen Faktoren die Person möglicherweise dafür anfällig gemacht haben (Suche nach Sinn, Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit, Angst vor Kontrollverlust etc.).

  1. Emotionen mit Emotionen begegnen, Unwahrheiten mit Fakten entkräften

Manche Menschen lassen sich leichter mit Informationen und Fakten von etwas überzeugen. Bei anderen ist die Überzeugungskraft höher bei einem emotionalen Gegennarrativ. Eine schlimme Krankheitsgeschichte kann den emotionalen Boden bereiten, sodass daran anknüpfend auch Zahlen und Fakten wieder mehr Wirkungskraft bekommen.

  1. Vertrauen aufbauen

Menschen, die an Verschwörungsmythen glauben, sind am besten durch Vertrauenspersonen erreichbar. Das können z.B. allseits geschätzte Kolleg*innen sein. Wichtig ist, deutlich zu machen, dass man die vertretene Position nicht akzeptieren kann, aber der Person weiterhin mit Respekt gegenübertritt. Dabei helfen Ich-Botschaften, um dies zu vermitteln. Sie senden klare Zeichen und bieten weniger Raum für Anschuldigungen. Auch die gemeinsame Recherche nach den Quellen von Nachrichten kann dabei helfen, Vertrauen aufzubauen.

  1. Früh einschreiten

Ein*e Kolleg*in spricht plötzlich ganz anders über Corona? Wenn jemand gerade beginnt, sich mit Verschwörungsmythen zu beschäftigen, sind die Chancen, durch Fakten zu überzeugen, deutlich höher. Denn wer direkt am Anfang nachfragt, verhindert, dass Kolleg*innen immer tiefer in den Sog der Verschwörungsmythen hineingezogen werden. Es ist unwahrscheinlich, dass bereits das erste Gespräch zu einer Meinungsänderung führt. Wenn jedoch die Bereitschaft für eine Diskussion vorhanden ist, kann gemeinsam mit der*dem Kolleg*in die Seriosität der Quelle und mögliche Gegenargumente untersucht werden.

  1. Kontakt aufrechterhalten

Auch wenn Kolleg*innen nicht mehr die gleichen Positionen vertreten, ist es wichtig, weiterhin Kontakt zu halten. Den Weg aus den Verschwörungsmythen müssen sie selbst antreten, aber wenn die Anknüpfungspunkte zur Realität weniger werden, wird es schwerer, wieder herauszufinden. Signalisieren Sie weiterhin die Bereitschaft zum Gespräch! Denn sollte der*die Kolleg*in nach einem Ausweg suchen, weiß er*sie, an wen er*sie sich wenden kann.

  1. Unterstützung holen

Endlose Diskussionen, keine Einsicht, verhärtende Fronten: holen Sie sich Unterstützung bei den anderen Kolleg*innen. Wenn Sie keinen Ausweg mehr wissen, können Beratungsangebote helfen. Dafür gibt es zum Beispiel die Sekten-Info in NRW oder Berlin oder in Baden-Württemberg die Beratungsstelle Zebra.
Insbesondere sollte Unterstützung geholt werden, wenn die Person Gewalt als legitime politische Ausdrucksform darstellt.

  1. Widerspruch einlegen

Wenn Verschwörungsmythen angesprochen oder verbreitet werden, ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und Widerspruch zu äußern. Dabei soll das Gegenargument auf die Sache an sich zielen und keinen Angriff auf die Person darstellen. Dabei reicht es schon, mutig zu sein und zu sagen: „Ich sehe das anders!“. Das Wichtigste ist, ein Zeichen zu setzen, für die betreffende Person und für alle Zuhörenden, dass es auch andere Meinungen und Gegenrede gibt. Sonst entsteht womöglich der falsche Eindruck einer „schweigenden Mehrheit“.

  1. Grenzen setzen

Diskussionen können langwierig und emotional fordernd sein, insbesondere wenn man mit der betreffenden Person regelmäßig in Kontakt ist. Darum ist es auch für die eigene mentale Gesundheit wichtig, Grenzen zu setzen. Es gibt keine Verpflichtung, dass Sie sich jedes Mal mit den Kolleg*innen streiten müssen, wenn Sie sie sehen. Wenn es Ihnen mit dem Konflikt oder der Situation nicht gut geht, können Sie auch klar sagen, dass Sie nicht mehr über das Thema reden möchten. Auch höflich das Thema zu wechseln oder das Gespräch komplett abzubrechen, können Optionen sein. Selbstschutz hat hier immer oberste Priorität. Auch sollten Grenzen in Lehrer*innengruppen oder Schulchats gesetzt werden, sodass dort keine Verschwörungsmythen verbreitet werden dürfen.

Für Tipps, wie Sie das Thema in Ihren Unterricht integrieren können, empfehlen wir Ihnen unsere Kursmodule und Webinar-Angebote.
 

Weitere Informationen zu Verschwörungsmythen:

 

Quellen

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