Kurs III Modul 2 - Meinungsbildung bei Jugendlichen

Geschätzte Dauer
30 Minuten
Intro

In diesem Modul bearbeiten Sie die folgenden Themen:

  • Mediennutzung Jugendlicher zur Meinungsbildung
  • Rolle journalistischer Medien bei der Meinungsbildung Jugendlicher
  • Einfluss von Influencer*innen und Creator*innen auf die Meinungsbildung Jugendlicher
  • Praxisbeispiele zur Thematisierung und Reflexion von Meinungsbildungsprozessen Jugendlicher

Jeder Kurs besteht aus zwei Modulen, die immer gleich aufgebaut sind. Sie beginnen mit einem Input, der aus mehreren Infoblöcken bestehen kann. Darauf folgt eine Reflexion zur persönlichen Standpunktbestimmung. Nach einem weiterem Input folgen Unterrichtsideen in der Werkstatt. Jedes Modul schließt mit einem Test ab.

Input

Im Modul 1 haben Sie erfahren, wie Meinungsbildungsprozesse in der digitalen Gesellschaft ablaufen. Wenn Sie Jugendliche betrachten, funktioniert der Prozess der Meinungsbildung in dieser Zielgruppe anders? Und wenn ja, warum? Mehr dazu im Videobeitrag von Prof. Dr. Friederike Siller, Technische Hochschule Köln.

Third-party content

Das Video wird von YouTube eingebettet abgespielt. Zum Aktivieren müssen Sie auf „Abspielen“ klicken. Wir weisen Sie darauf hin, dass nach der Aktivierung Daten an den jeweiligen Anbieter übermittelt werden. Es gilt die Datenschutzerklärung von Google.

Miniaturbild

Zur Erläuterung des Videos folgen aktuelle Studienergebnisse mit unterschiedlichen Schwerpunkten – beginnend bei allgemeiner Mediennutzung, über Nutzungsverhalten in Bezug auf Meinungsbildung und zum Schluss der besonderen Rolle von YouTube.

Wie nutzen Jugendliche Medien zur Meinungsbildung?

Meinungsbildung Jugendliche
© Thomas Imo | photothek.de

Für die Identitätskonstruktion und Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen sind Meinungsbildungsprozesse ein wichtiges Element und finden ebenso wie bei Erwachsenen in unterschiedlichen Kontexten statt. Zu den Einflussfaktoren gehören das individuelle soziale Umfeld, persönliche Wertvorstellungen und Erfahrungen gleichermaßen wie Informationen aus den verschiedenen Medienangeboten, die letztendlich zu Entscheidungen und somit zu Haltungen bzw. Meinungen führen. 

Medienbeschäftigung
© FSM e.V.

Klassische Medienangebote haben im Medienmix von Jugendlichen nach wie vor einen festen Platz, verlieren aber an Bedeutung. Das Internet ist das wichtigste Medienangebot.  

Meinungsbildungsgewicht
© FSM e.V.

Das Internet ist für die Meinungsbildung von Jugendlichen das wichtigste Medium. Fernsehen, Radio und Tageszeitungen verlieren im Vergleich dazu immer mehr an Bedeutung. 

Wie nutzen Jugendliche das Internet zur Meinungsbildung?

Handys
© Thomas Trutschel | photothek.net

Online-Medien kommt eine besondere Bedeutung bei der Meinungsbildung von Jugendlichen zu. Dort finden sie schnell attraktiv aufbereitete Angebote zur gesamten Bandbreite für sie relevanter Themen und Interessen von Freizeitgestaltung, Unterhaltung, Lifestyle-Trends, Beauty, Gesundheit bis hin zu Politik. Informationsorientierte Creator*innen bzw. Influencer*innen können darüber hinaus spezielle Themenfelder und Interessen bedienen. Die Meinungen der Peer-Group werden im digitalen Raum verstärkt wahrgenommen, gespiegelt, geteilt und verbreitet. Kurze, emotionale, häufig auch humorvoll gestaltete Bildformate sprechen Jugendliche besonders an. Zudem bieten verschiedene Rollenmodelle Orientierung bei der individuellen Einordnung und Konstruktion von Weltbildern.

Third-party content

Das Video wird von YouTube eingebettet abgespielt. Zum Aktivieren müssen Sie auf „Abspielen“ klicken. Wir weisen Sie darauf hin, dass nach der Aktivierung Daten an den jeweiligen Anbieter übermittelt werden. Es gilt die Datenschutzerklärung von Google.

Miniaturbild

Decken sich Ihre Eindrücke mit den Ergebnissen dieser Studien? 

Ihre Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen helfen Ihnen bestimmt auch im nächsten Abschnitt, ihr Medienverhalten zur Meinungsbildung einzuschätzen.  

 

Reflexion

Bei der Reflexion können Sie Ihre Einschätzungen überprüfen. Die Reflexionsfragen können auch Einstieg in eine Unterrichtsstunde sein. Zu manchen Fragen erhalten Sie ergänzend Zahlen aus ausgewählten Studien zum Vergleich.

In der JIM Studie von 2017 und 2018 wurden jeweils 1.200 Jugendliche im Alter zwischen 12 und 19 Jahren befragt: YouTube wird von 60% der Jugendlichen regelmäßig genutzt und die wichtigste Informationsquelle sind Suchmaschinen (insb. Google) mit 85%. 

Zu den nächsten vier Fragen finden Sie die Ergebnisse in der nächsten Moderation.

Die Fragen 2 bis 5 basieren auf Ergebnissen der Studie "Engagiert aber allein" der Vodafone Stiftung Deutschland von 2019, in denen Jugendliche im Alter von 14-24 Jahren befragt wurden. 52% der Jugendlichen geben an, Prominenten in Sozialen Medien zu folgen. Jungen informieren sich zu politischen Themen am häufigsten in Online-Medien (38%). 29%, also nicht einmal  jede*r dritte Jugendliche, hält Informationen und Nachrichten aus Sozialen Medien für ausgewogen. Gut jede*r Vierte (26%) folgt Politiker*innen und/oder Parteien in den Sozialen Medien.

Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren nennen Schule mit 75%, Familie mit 57% und Freunde mit 47% als Kontaktpunkte zu politischen Themen (Quelle: YouGov 2017 – Politische Jugendstudie von Bravo und YouGov).

Auch wenn den klassischen Nachrichtenmedien von Jugendlichen großes Vertrauen entgegengebracht wird, sind Soziale Medien die wichtigste Informationsquelle für sie. Im medialen Setting von Meinungsbildungsprozessen haben Influencer*innen bzw. Creator*innen für Jugendliche eine besondere Bedeutung. Sie beeinflussen Kaufentscheidungen ebenso wie politische Einschätzungen. Mehr darüber erfahren Sie im nächsten Abschnitt.

 

Input

Welche Rolle haben Influencer*innen für Jugendliche bei politischen Themen?

Influencer*innen und Politik

Smartphone
© Janine Schmitz I photothek.de

Influencer*innen, die politische Themen aufgreifen, rückten erstmals in den Fokus einer größeren Öffentlichkeit, als Angela Merkel 2015 ein Interview auf YouTube mit dem YouTuber LeFloid gab und damit versuchte, ein junges Publikum auf deren Medium anzusprechen.

Im Wahlkampf 2017 folgten weitere Interviews durch YouTuber*innen mit der Kanzlerin und ihrem Gegenkandidaten Martin Schulz.

Ein weiterer prominent wahrgenommener Beitrag dieser Art ist das 2019 veröffentlichte Video des Influencers Rezo zur Europawahl unter dem Titel „Die Zerstörung der CDU“. Das Video ging innerhalb kürzester Zeit viral und wurde bis Ende 2019 rund 16 Mio. mal geklickt. 

Auch wenn es sich nicht bei allen dieser Akteur*innen explizit um politisch informationsorientierte handelte, werden sie aber nach anfänglicher Abwehr durch die etablierten Medien als Politikvermittler*innen für eine junge Zielgruppe wahr- und ernst genommen.

Welche Rolle haben Influencer*innen für Jugendliche bei politischen Themen?

Selbstverständnis von "politischen Influencer*innen"

Einen genaueren Blick auf das Selbstverständnis und die Kommunikationsabsichten „politischer Influencer*innen“ unternimmt eine Studie im Rahmen eines Lehrforschungsprojekts an der Filmuniversität Babelsberg.

Auf Grundlage von Leitfadeninterviews mit YouTuber*innen zeigt sich, dass sich das Selbstverständnis der Befragten voneinander unterscheidet, wenngleich bei ihrer Auswahl für die Studie gemeinsame Merkmale wie prominenter Bezug zu politischen Themen in Überschriften, Playlists, Thumbnails, Wahrnehmung als politische Kommunikator*innen, Sichtbarkeit, identifizierbare Einzelakteur*innen etc. zu Grunde lagen. Inszenierung, Methode und Ansprachehaltung variieren vom sachlichen Informationsanspruch bis zur Satire. Gemeinsam ist allen Befragten, dass sie sich nicht als Gatekeeper*in oder Opinionleader*in (=Meinungsführer*in) definieren und die Bezeichnung Influencer*innen für sich ablehnen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Unter anderem beabsichtigen sie keine Beeinflussung ihrer Zielgruppe, sondern wollen eher dazu auffordern, sich eine eigene Meinung zu bilden bzw. einen Diskurs zu politischen Themen anregen. 

Den Erfolg ihrer Angebote bemessen sie nicht nur in Reichweiten, sondern auch in der Qualität der Diskurse, wobei hier auch zwischen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Online-Angeboten unterschieden werden muss, je nach deren Entstehungs- und Finanzierungshintergrund.

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Vgl.: Wegener, Claudia (2019): Politische YouTuber Gatekeeper oder Meinungsführer? In: tv diskurs, Verantwortung in audiovisuellen Medien, 23. Jg., 1/2019 (Ausgabe 87), S. 56-59.

Politisches Engagement

Welche Rolle haben Influencer*innen für Jugendliche bei politischen Themen?

Forschungsbedarf

Der tatsächliche gesellschaftliche Einfluss von Influencer*innen auf die politische Meinungsbildung wird je nach Quelle sehr unterschiedlich bewertet und wird weiter erforscht werden müssen. Zwar sind Reichweite und Schnelligkeit der Nachrichtenverbreitung in der jugendlichen Zielgruppe groß, aber die Nachhaltigkeit ist durch den ständigen Wechsel der Videos von kürzerer Dauer und bleibt bisweilen geschlossen in den jeweiligen Meinungsgruppen.

In der folgenden Grafik finden Sie wichtige politische Influencer*innen. Klicken Sie auf das Plus-Zeichen, um zu jeder Person mehr Informationen und ein Beispiel-Video anzusehen.

Neben Politik sind auch die Bereiche PR/Werbung und Konsum wichtige Faktoren für die Meinungsbildung – wie wichtig, sehen Sie an den nachfolgenden Statistiken.

Welche Rolle spielen Influencer*innen für das Konsumverhalten von Jugendlichen?

Influencer*innen und PR/Werbung

Influencerin
© shutterstock.com

Unabhängig von Themen und Kanal begegnen Jugendlichen im Netz auch Botschaften, deren subtile Beeinflussung auf ihr Weltbild oder ihre Rollenmodelle für sie nicht unmittelbar einschätzbar ist. Die Reflexionsmöglichkeiten sind je nach Anzahl und Qualität ihrer Informationsquellen und Vergleichsmöglichkeiten eingeschränkt. Die Vermischung von Marketingbotschaft, konkreter Produktwerbung und persönlicher Empfehlung einzelner Protagonist*innen ist nicht immer leicht zu erkennen. 

Folgst Du InfluencerInnen?
© FSM e.V.

Fast die Hälfte der Jugendlichen im Alter von 14 bis 29 Jahren folgt Influencer*innen in Sozialen Netzwerken.

Welche Rolle spielen Influencer*innen für das Konsumverhalten von Jugendlichen?

Inszenierung von Influencer*innen

Inszenierung von InfluencerInnen
© shutterstock.com

Influencer*innen vermitteln durch ihre Inszenierung und freundschaftliche Ansprachehaltung Nähe, Vertrauen sowie Authentizität, die sie zu Identifikationsfiguren mit Vorbildcharakter werden lässt. Oft sind sie in vergleichbarem Alter und nutzen die gleiche Sprache bzw. das gleiche Vokabular wie ihre Follower*innen. Die vermeintliche Nahbarkeit im Netz durch das Teilen privater Fotos und alltäglicher Themen vermittelt ein Gefühl von Zugehörigkeit und macht sie und ihre Lebensentwürfe hypothetisch erreichbar. Diese Mechanismen sind beim Influencer*innen-Marketing Kalkül und funktionieren auf YouTube ebenso gut wie auf Instagram. Je früher eine Zielgruppe angesprochen wird, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, eine Markenbindung zu erreichen, die bis ins Erwachsenenalter anhalten kann. 

Wie oft begegnen dir InfluencerInnen?
© FSM e.V.

44% der Jugendlichen geben an, mehrmals täglich ihren Influencer*innen zu begegnen.

Einfluss InfluencerInnen
© FSM e.V.

43% der Jugendlichen zwischen 16 und 24 Jahren sind schon einmal einer Produktempfehlung ihrer*s Influencer*in gefolgt.

Welche Rolle spielen Influencer*innen für das Konsumverhalten von Jugendlichen?

Erkennen von Werbung

„Banner, Werbe-Videos, Pop-Ups und Influencer, die ein Produkt in die Kamera halten: Werbung in Sozialen Netzwerken ist allgegenwärtig. Doch viele Social-Media-Nutzer haben mittlerweile Schwierigkeiten, zwischen Werbung und inhaltlichen Beiträgen zu unterscheiden. So sagt knapp jeder zweite Nutzer (48 Prozent), dass er Werbung von Inhalt nur schwer unterscheiden kann. Unter den jüngeren Nutzern im Alter von 14 bis 29 Jahren sind es sogar 56 Prozent.“¹

Unbestritten ist also, dass Influencer*innen, YouTuber*innen oder allgemein Social Media Stars Orientierungsfunktion in politischen und lebensweltlichen Themen haben.

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¹ Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. (Abgerufen am: 24.11.2019)

Trotz der Bedeutung von Social Media im Alltag der Jugendlichen und ihrer Faszination für Influencer*innen stehen sie den Angeboten mindestens skeptisch gegenüber. Hier finden Sie zum Abschluss auch dazu noch einige Zahlen.

Wie kritisch sehen Jugendliche Influencer*innen?

Mädchen guckt ins Handy
© Ute Gabrowsky | photothek.de

Jugendliche sehen die Angebote von Influencer*innen durchaus als nicht unproblematisch. 

Sie kritisieren z. B. die Vermischung von Informationsvermittlung mit kommerziellen Interessen. Sobald eine redaktionelle bzw. professionelle Aufbereitung der Inhalte durch ein Vermarktungsnetzwerk vermutet wird, schwindet die Glaubwürdigkeit. Influencer*innen mit einer geringeren Reichweite werden als authentischer und damit glaubwürdiger wahrgenommen.

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 Vgl.: Hugger, Kai-Uwe et al. (2019): Zwischen Authentizität und Inszenierung. Zur medienkritischen Einschätzung informationsorientierter YouTuber*innen-Videos durch Jugendliche. In: Dieter Baacke Preis Handbuch, Band 14, Instagram und YouTube der (Pre-)Teens, S. 11-35)

Einstellungen zu InfluencerInnen
© FSM e.V.

Die Einstellung zu Influencer*innen und ihrer Orientierungsfunktion ist abhängig vom Bildungsgrad der Jugendlichen.

Gegenleistung InfluencerInnen
© FSM e.V.

Je transparenter der Umgang mit Werbeaufträgen der Influencer*innen gestaltet wird, um so größer ist die Akzeptanz.

Werkstatt

Hier finden Sie Vorschläge wie Sie das Thema Meinungsbildung im Unterricht einbinden können. Die Sammlung wächst mit Ihren Ideen - es lohnt sich also immer wieder vorbei zu schauen. Viele weitere Ideen für Ihren Unterricht finden Sie im Bereich Materialien.

Jetzt können Sie testen, ob Sie alle Fragen zum Modul 2 schon beantworten können. Viel Spaß dabei!

Test

Prima, Sie haben das Modul ‘Meinungsbildung bei Jugendlichen’ abgeschlossen. Jetzt kennen Sie verschiedene Aspekte Ihres Meinungsbildungsprozesses in der digitalen Gesellschaft und auch die Ihrer Schüler*innen. Die verschiedenen Mechanismen, die zur Meinungsbildung beitragen, werden Ihnen auch beim Umgang mit Desinformation in den nächsten Themen begegnen. Mit diesem Hintergrundwissen, Ihrer Erfahrung und Ihrem kritischen Reflexionsvermögen können Sie z. B. ein Projekt aus einer der Werkstätten starten, um mit Ihrer Klasse Meinungsbildungsprozesse zu diskutieren, Zusammenhänge erfahrbar zu machen und Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Outro

Hier geht es direkt zu Modul 1 dieses Kurses.

Vielleicht interessiert Sie jetzt aber ein anderes Kursthema? Im Kurs II geht es z. B. um Wandel und Motive der Mediennutzung und im Kurs IV um die Entstehung und Funktion von Desinformation. Einen Überblick zu allen Kursthemen und Modulen finden Sie hier.

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